Meine Gedanken sind heute nicht beim Flusi: Der Wind peitscht den Regen an die Fenster, heute abend soll es an der Nordsee in Böen bis Windstärke 10 geben. In den Onlinemedien sind Passanten zu sehen, die das Spektakel an der Küste witzig finden und noch mehr erhoffen. Ob sie sich eigentlich bewußt sind, was da draußen auf dem Meer los ist?
Als ob der Wettergott sich rechtzeitig zum 50. Jahrestag der Bermpohl-Katastrophe zurückmelden will. Ein Tag, als selbst die, die "rausfahren, wenn andere reinkommen" nicht mehr wiederkommen. Ein Tag, an dem damals moderne Rettungstechnik gegen die Natur keine Chance hatte.
Die Geschichte ist vielleicht manchem hier bekannt und einige von Euch können sich vielleicht auch an das RC-Modell der Adolph Bermpohl von der Firma Graupner erinnern, das zu den am häufigsten betriebenen Schiffsmodellen zählen dürfte.
Die "Adolph Bermpohl", ein damals hochmoderner Seenotrettungskreuzer verlässt am Nachmittag des 23.2.1967 bei Orkan den Hafen von Helgoland, um dem holländischen Fischkutter TM1 "Burgermeester van Kampen" zur Hilfe zu eilen. Der Kutter meldet Wassereinbruch und ist nicht mehr zu retten. Die drei Besatzungsmitglieder werden vom Tochterboot "Vegasack" aufgenommen und der Seenotfall sogar offiziell für beendet erklärt. Es gelingt im Orkan dann jedoch nicht, dieses auf das Mutterschiff zurück zu holen. So versuchen beide Rettungseinheiten, Richtung Helgoland zu fahren. Bis heute ist nicht vollständig klar, was dann passierte. Vermutlich wurde beim Übernehmen der unterkühlten Schiffbrüchigen längstseits zum Mutterschiff die A.Bermpohl gegen 19 Uhr durch eine schwere Grundsee um ca. 90 Grad auf ihr Tochterboot gedrückt und richtete sich danach (wie konstruiert) wieder auf. Dabei verloren beide Schiffe der DGzRS jedoch ihre komplette Besatzung aus vier Seenotrettern sowie die drei Schiffbrüchigen. Erst am folgenden Tag sichtete das Fahrgastschiff "Atlantis" die beschädigte und mit laufendem Motor als Geisterschiff treibende Adolph Bermpohl. In dem Orkan verloren insgesamt 80 Seeleute ihr Leben, u.a. die Besatzung des Küstenmotorschiffes "Ruhr", dem die Bermpohl danach zur Hilfe eilen sollte.
Über das Ereignis ist bis heute viel geschrieben worden. Vielleicht weil es - abseits vom Heldentum - auch so unvorstellbar war, dass ein moderner Kreuzer zwar seine Unsinkbarkeit unter Beweis stellt, aber die gesamte Besatzung über Bord gespült wird. Mich - der wenige Tage vorher zur Welt kam - hat dieses Ereignis und die Bilder seit meiner Kindheit beschäftigt. Auch weil bei den Verwandten in Maasholm der Rettungskreuzer "Günter Kuchenbecker" lag, der den Namen eines der Verunglückten Retter trug.
Seit 1865 verloren insgesamt 45 Seenotretter im Einsatz ihr Leben, zuletzt vor 22 Jahren am 1.1.95 beim Unglück der "Alfried Krupp" vor Borkum.
Diese Tage erschien ein Buch, der erstmals die Geschehnisse aus niederländischer Sicht beschreibt und neben den tragischen Helden von damals auch den Schiffbrüchigen und deren Angehörigen ein Gesicht verleiht.
Zur Erinnerung fand heute auf Helgoland - wo der größte Rettungskreuzer der Welt, die "Hermann Marwede", liegt - eine Gedenkveranstaltung statt. Zeitzeugen gibt es nur noch wenige. Die Witwe des Kutterkapitäns z.B., die damals erst 21 Jahre alt war oder Hinnerk Pick, der als Steuermann auf der Atlantis die Bermpohl fand und bis Ende letzten Jahres noch im hohen Alter freiwilliger Seenotretter in Eckernförde war. Die Adolph Bermpohl selbst wurde instandgesetzt, 1989 an den finnischen Rettungsdienst verkauft und dort 2001 verschrottet. Ihre Schwesterschiffe "Georg Breusing" und "Arwed Emminghaus" hingegen sind als Denkmäler in Emden und Burgstaaken erhalten geblieben. Auch in Termunterzijl, dem Heimathafen der TM1, erinnert seit kurzem ein Denkmal an das Unglück. Das Wrack der TM1 selbst wurde erst vor einigen Jahren zufällig von Sporttauchern entdeckt.
Lesehinweise mit Details:
https://www.seenotretter.de/aktuelles/neui…-see-geblieben/
http://www.weser-kurier.de/deutschland-we…id,1555454.html
http://www.shz.de/regionales/sch…id16169886.html