ZitatAlles anzeigenMÜNCHEN/PARIS. Handelsblatt.com
Der Flugzeughersteller Airbus schiebt die Entwicklung des Nachfolgers für den Mittelstreckenjet A320 auf die lange Bank. Konzernkreisen zufolge sind die Entwicklungsbudgets des Nachfolgeprojekts "A0X" für die Jahre 2011 und 2012 um bis zu 90 Prozent gekürzt worden.Airbus erwartet also nicht mehr, dass ein A320-Nachfolger in diesem Jahrzehnt auf den Markt kommen kann. Stattdessen soll die fast dreißig Jahre alte Airbus-A320-Familie für knapp eine Mrd. Euro renoviert werden und neue Triebwerke bekommen. Das "Redesign" umfasst verstärkte Flügel und eine deutlich leichtere Kabine.
"Die Entscheidung über ein Redesign der A320 fällt noch in diesem Jahr", sagte ein Airbus-Sprecher auf Anfrage. "Wir sehen, dass der Wettbewerb in diesem Segment zunimmt." Airbus verweist auf die C-Serie des kanadischen Flugzeugherstellers Bombardier, der 2013 einen A320-Konkurrenten auf den Markt bringt. Auch Russen und Chinesen planen eigene Mittelstreckenjets.
Die Bilanz zeigt, dass der Erfolg der A320 zur Lebensversicherung für Airbus geworden ist. Mit einem Beitrag zum Vorsteuergewinn (Ebit) von rund vier Mrd. Euro ist die A320-Familie der wichtigste Ergebnislieferant. Die Langstreckenmaschine A330 steuerte 2009 nur 1,2 Mrd. Euro zum Ebit bei.
Der Superairbus A380 und der Militärtransporter A400M produzieren seit Jahren hohe Verluste und drückten vergangenes Jahr EADS unter dem Strich mit 763 Mio. Euro in die roten Zahlen. Aus den Gewinnen bei der A320 muss Airbus die Entwicklung des Langstreckenflugzeugs A350 bezahlen. Die Maschine soll 2013 fliegen.
Und die Bedeutung des fast dreißig Jahre alten Bestsellers A320 steigt für den Konzern weiter: 2 400 Maschinen hat Airbus noch im Auftragsbuch, bei Listenpreisen zwischen 60 und 90 Mio. Euro pro Stück. Airbus will die Auslieferung der A320-Familie von 34 auf 36 Maschinen pro Monat erhöhen - bei stagnierender Gesamtproduktion.
Die Modifikationen der A320 sollen vor der Luftfahrtshow in Farnborough im Juli stehen. Ziel ist es, die A320-Familie in den Jahren 2015 bis 2025 wettbewerbsfähig zu halten. Denn bereits 2013 droht der A320 neue Konkurrenz von Bombardiers C-Serie. Die Kanadier verwenden bereits ein neues Triebwerk von Pratt & Whitney, das dank einer Getriebe-Untersetzung (Geared Fan) bis zu 15 Prozent weniger Kerosin verbrauchen soll. Noch vor dem Erstflug der neuen C-Serie gewannen die Kanadier mit Lufthansa einen
Vorzeigekunden.Airbus muss also reagieren. "Das Unternehmen kann sich aber derzeit den kompletten Neubau der A320 weder finanziell noch von seinen Ingenieurskapazitäten her leisten", sagt Harald Liberge-Dondoux, Analystbeim Broker CM-CIC Securities. Derzeit sind die Airbus-Ingenieure voll und ganz mit der Entwicklung des neuen Langstreckenjets A350, der A400M sowie der A380 ausgelastet.
Eine Neu-Motorisierung der A320 wäre daher ein vergleichsweise günstiger Weg, die Lebensdauer des Modells zu verlängern und Kunden ein Flugzeug zu bieten, das weniger Sprit verbraucht. Am Rande der Bilanzpressekonferenz vergangene Woche ließ EADS-Chef Louis Gallois daher durchblicken, es gebe eine "hohe Wahrscheinlichkeit" dafür, dass Airbus der A320 neue Triebwerke verpassen wird.
Ganz billig wird die Renovierung der Maschine aber nicht. Konzernkreisen zufolge wird Airbus rund eine Mrd. Euro in die Änderung der dann 30 Jahre alten Konstruktion stecken. So muss Airbus Verstärkungen an den Flügeln, dem Flügelkasten im Rumpf und der Triebwerksaufhängung vornehmen, um neue und größere Triebwerke montieren zu können. "Sharklets" genannte Flügelverlängerungen sollen die Aerodynamik verbessern. Alle Veränderungen führen aber zu rund einer Tonne Zusatzgewicht, das vor allem durch eine leichtere Kabinenausstattung wieder hereingeholt werden muss.
Die größte Unbekannte bleibt aber das Verhalten des Erzrivalen Boeing. Der A320-Konkurrent 737 ist noch deutlich älter als die A320, eine enovierung deutlich aufwendiger. Noch lassen die Amerikaner offen, ob die 737 Ende des Jahrzehnts durch einen neuen Flugzeugtyp aus leichter Kohlefaser abgelöst wird.
Boeing hat Airbus bei Langstreckenflugzeugen bereits mit dem Dreamliner überrascht, der trotz aller Probleme einen Vorsprung von mindestens drei Jahren gegenüber dem Airbus-Modell A350 hat. Bekommt Boeing die Probleme jetzt in den Griff, könnte der Rivale die Technik für einen 737-Nachfolger verwenden, fürchten Airbus-Manager. Boeing
wiederum blickt auf Airbus bei der Entscheidung der Motorisierung."Sowohl Airbus als auch Boeing denken darüber nach, neue Motoren zu verwenden", heißt es beim französischen Triebwerksspezialisten Safran. Safran und General Electric haben sich im Konsortium CFM zusammengetan, ihr Motor treibt alle 737 und rund die Hälfte aller A320 an. Als Nachfolger hat das Konsortium das Triebwerk "Leap-X" entwickelt, in dem Kohlefaser-Werkstoffe Gewicht und Verbrauch senken sollen.