Artikel: Eine Abrechnung mit der Luftfahrt - aus Sicht eines Piloten

    • Offizieller Beitrag

    „Im Regelfall beginnen junge Piloten ihre Karriere bei einer Regionalairline und schaffen mit etwas Glück später den Sprung in ein Konzerncockpit.“

    discounttarife.gif110_F_14973712_HTDR7I1tNPlEVrfRfKyzK743NK7tZYwh.jpg CheapTicketsLogo.png
    So sollte es sein, aber ich verstehe die Aufregung nicht (Achtung Sarkasmus).


    Auch hier im Forum lese ich des Öfteren Statements wie: „Geil, für 23 Euro nach London“.
    An der einen Seite regt man sich auf das so viele Piloten arbeitslos sind, auf der anderen Seite wird das restliche Personal vergessen. Denn folgende Rechnung liegt doch wohl auf der Hand: Weniger Piloten = weniger Flüge = weniger Flughafenpersonal… Um dann Charter und andere Flüge noch abhandeln zu können, werden die meist zuvor entlassenen Festangestellten über Zeitarbeitsfirmen billig zurück gemietet. Alle sind Glücklich! Der Passagier, den der Flug ist billig, der Flughafen, das Personal ist billig, die Airline, den die Gebühren sind günstig, der Pilot… ach ja, da war ja noch was.
    Ryanair-results.jpg

    Warum sollten Piloten fest angestellt sein, wenn die ganzen anderen, die den Flieger in die Luft bringen für ein Scheissgehallt und unmöglichen Zeiten, ohne Zulagen und ohne feste Anstellung arbeiten müssen? Immerhin, wenn der eine Loader die Koffer nicht in die stinkenden Frachträume einer 737 laden kann, weil er es im Rücken hat, wird er halt nach Hause geschickt, liegt dem Staat auf der Tasche und aus der Zauberdose Zeitarbeitsfirma gibt’s nen Frischen. Arbeitskräfte genug.
    Na klar, die Gewerkschafft. Wir erinnern uns. Die Französische Cockpitgewerkschaft hat erfolgreich 2 Wochen gestreikt, als Air France KLM vor hatte einen Teil des Europa Geschäfts auf Transavia mit festangestellten, wenngleich niedriger bezahlten Kutschern ab zu schieben. Was hat das noch gekostet?


    Die Schuld an diesen Zuständen sehe ich in 2 Faktoren.

    1. Der Kunde nimmt (mit Recht) den günstigsten Flug. Irgendwie muss der aber zu Stande kommen.
    2. Die Gehälter der (alten) Piloten waren noch auf anderen Grundlagen basiert als heut zu Tage und die Gewerkschaften sind nicht bereit hier Zugeständnisse zu machen. Also müssen wir warten bis die Dinosaurier der Luftfahrt ausgestorben sind um wieder Festverträge mit realistischer Entlohnung ab zu Schließen. So lange werden einige Airlines pleitegehen, die jungen Piloten für Zeitarbeitsfirmen arbeiten und andere Festverträge werden Seltenheitswert haben.

    ORB_bloghdr_FlightsCheap_530x130.jpg
    Ach ja, die Globalisierung mit günstigen Arbeitskräften aus Asien dürfen wir auch nicht vergessen. Warum soll nur auf dem Bau polnisch gesprochen werden und nicht im Cockpit Chinesisch???


    Ich kann Euch da was Empfehlen:

    Buchcover-Kaufen-Sie-noch-ein-Los-bev.jpg
    Kaufen Sie noch ein Los, bevor wir abstürzen: Aus Meinem Alltag Als Pilotin Bei Einer Billig-Airline

    Piloten sind braun gebrannte Haudegen mit Sonnenbrille, die cool die Flieger durch die Lüfte steuern und von einem Traumziel zum nächsten jetten. So denkt man sich das. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Julia November, eine der wenigen aktiven Pilotinnen in Deutschland, berichtet aus ihrem Berufsalltag. Von den netten Kollegen, die ihr beim Einparken am Gate helfen wollen, von durchgeknallten Cabin Crews, die bei Turbulenzen hysterisch werden, anstatt die Passagiere zu beruhigen, und vom alltäglichen Wahnsinn bei einer Billig-Airline. Vom Gepäckgewicht, dessen Überschreitung im Grammbereich zu Dramen beim Einchecken führt, über Musikterror beim Boarding bis hin zum Sparzwang bei den Getränkeautomaten in der Mitarbeiterkantine. Garantiert wird man vieles aus dem Buch beim nächsten preisgünstigen Flug in der Realität wiedererkennen.

  • Naja, es stellt sich die Frage, ob man es Problem nennen will. In der Marktwirtschaft reguliert sich ein Preis halt immer über Angebot und Nachfrage. So hat auch jeder Pilot seinen Preis.

    Jetzt gab es in den letzten Jahren insbesondere dank privater Flugschulen (mit dem Versprechen "unser Chef hat die besten Kontakte zu Airline xyz") ein ziemlich großes Angebot für eine ziemlich geringe Nachfrage.

    Und solange eben manche Jungspunde 30000 Euro für 500h Line-Training blechen, wird sich die Situation auch niht groß ändern.

    Grüße, Robert

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Naja, es stellt sich die Frage, ob man es Problem nennen will


    Habe ich ja nicht..

    Zitat

    In der Marktwirtschaft reguliert sich ein Preis halt immer über Angebot und Nachfrage.


    Da liegt ja gerade der Hase im Pfeffer. Der Preis der (alten) Piloten ist aus einer anderen Zeit und das Angebot ist nicht reguliert (Stichwort Billiglohnregion) Die Regeln fuer die (EU)Airlines schon.

  • Könnte man 1:1 aus dem Rettungsdienst kopiert sein, du wirst genau die gleichen sachen dort sehen.

    Grüße
    Simon
    Staatlich geprüfter Sterbensverzögerer

    "Z kommt relativ weit am Ende im Alphabet ......" - Goof 28.März 2020

    "Auch wenn Angela gesagt hat, wir sollen Menschenmassen vermeiden, habe ich mir gerade einen AUFLAUF gemacht"- Mats 28.März 2020

  • Könnte man 1:1 aus dem Rettungsdienst kopiert sein, du wirst genau die gleichen sachen dort sehen.


    Mein erster Gedanke war ähnlich: Warum soll es anderen Branchen auch besser gehen. Daher ist es logische Konsequenz, dass sich die Konzernmanager neuer Mechanismen bemächtigen.
    Toto sprach einen wichtigen Punkt an, dass viele der Älteren aus heutiger Sicht überbezahlt sind. Dann kommt hinzu das bei jedem finanziellen Einschnitt die Piloten und Gewerkschaften in Hysterie verfallen. Wo kommen wir auch dahin wenn ein Pilot nicht mehr mit etwas über 50 in den Ruhestand gehen kann.
    Nicht das ich was gegen das Streikrecht hätte, aber es hat auch seine Kehrseiten. Wenn man an den bestehenden Gehältern nicht mehr sparen kann, müssen neue Ideen her. Wozu das führt kann man jetzt sehen.

    Weniger Piloten = weniger Flüge = weniger Flughafenpersonal…


    Oder die Arbeitsbelastung der Verbliebenen steigt. Trifft dann eher auf die Bodencrews zu.... hoffentlich. ;)

    Gruß,
    Dirk

  • Oder die Arbeitsbelastung der Verbliebenen steigt. Trifft dann eher auf die Bodencrews zu.... hoffentlich.

    Sehe ich tagtäglich wie sich die Belegschaft schleichend verändert. Alte Grundregel: If you pay peanuts you get monkeys
    Die Leute in der Abfertigung arbeiten den fliegenden Besatzungen zu. Wird die Arbeitsqualität schlechter am Boden so hat dies direkte Auswirkungen.

    Zudem arbeitet die NASA in Zusammenarbeit mit der FAA bereits an Konzepten, dass man nur noch mit einem Piloten im Cockpit fliegt, und im Cargo- Bereich soll es in ferner Zukunft ohne Kutscher gehen. Es geht genau so los, wie man damals den Flugingenieur eingespart hat. Die militärischen Drohnen ( RQ4 Global Hawk) operieren jetzt schon von Beale AFB aus im zivilen Luftraum und beliefern die Kostenkontrolleure immerzu mit aussagekräftigen Daten. Alles eine Frage der Zeit.

    "When my time on Earth is gone, and my activities here are past, I want they bury me upside down, and my critics can kiss my ass."Bob Knight


    „Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.“Arthur Schopenhauer

    Einmal editiert, zuletzt von The Big Lebowski (17. Februar 2015 um 14:52)