Next Generation Train: Hier entstehen die Super-Züge von Übermorgen

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    Göttinger Forscher arbeiten an den Zügen der nächsten Generation. Sie sollen 25 Prozent schneller sein, aber nur halb so viel Energie verbrauchen wie heutige Züge
    Draußen rührt sich kein Lüftchen, doch innen braust ein kräftiger Wind. Umschlossen von Plexiglasscheiben, wird der Zug aus Aluminium schräg von der Seite angeblasen. Von oben scheint grünes Laserlicht auf den Mittelwaggon; nun soll eine Rauchfahne durch den Windkanal ziehen, um Luftbewegungen sichtbar zu machen – doch die Pumpe für den Rauch hat ausgerechnet jetzt einen Defekt.

    Eine Panne? Kein Problem. „Der Rauch ist schön anzusehen“, sagt der Physiker Sigfried Loose vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Göttingen, „aber was wir wirklich wissen wollen, sind die Kräfte.“ Wie der Wind an Triebwagen und Waggons drückt und zerrt, registriert ein kleiner Kasten darunter: eine Waage, in der Bewegungssensoren erfassen, um wie viele Millimeterbruchteile sich das 1:25-Modell bewegt und dreht.

    Solche Züge könnten dem Flugzeug Konkurrenz machen

    „Next Generation Train“ (NGT) heißt der Doppelstöcker, in dem die erste Klasse oben liegen soll und die zweite darunter – beide durchgängig und stufenlos. Durch Türen auf beiden Ebenen würde das Einsteigen schneller gehen, während Servicepersonal das Gepäck verstaut. Dank glasfaserverstärkter Kunststoffe und anderer Leichtbaumaterialien soll er 25 Prozent weniger wiegen als der heutige ICE3 und pro Passagier und Kilometer nur halb so viel Energie verbrauchen – bei einem Spitzentempo von 400 Kilometern pro Stunde.

    Solche Züge könnten dem Flugzeug in Europa ernsthaft Konkurrenz machen. Die EU-Kommission definierte 2011 die Anbindung aller großen Flughäfen an das wachsende Hochgeschwindigkeitsnetz als Fernziel. Was ein NGT mit bis zu 1600 Passagieren leisten könnte, haben die Forscher für die Strecke Wien-Paris simuliert: Auf einer neuen Strecke über Salzburg, München, Stuttgart und Straßburg wäre ein Durchschnittstempo von 274 km/h möglich. Reisezeit: drei Stunden und 47 Minuten, ein Drittel der gegenwärtigen Dauer. Würden nur bestehende Gleise ausgebaut, ließe sie sich immerhin noch auf fünf Stunden und 14 Minuten halbieren.

    Aerodynamischen Probleme erscheinen lösbar
    Seit Anfang 2007 arbeiten neun Institute des DLR am Zug der Zukunft. Nun ist Halbzeit, und der NGT nimmt Gestalt an. Sein Querschnitt ist festgelegt; die Fläche ist 20 Prozent größer als beim einstöckigen ICE3. Der Zugkopf, Version Nummer 3, ist an den Seiten kantiger geworden, während die Nase spitzer zuläuft als zu Beginn, damit sie bei einem Aufprall mehr Energie absorbiert.

    Was seitliche Böen anrichten können, zeigen Ausdrucke an der Wand des Windkanals: Farbige Fahnen ziehen über das Dach und verwirbeln. Über dem Zug beschleunigt sich die Strömung. Dabei bildet sich wie über einer Flugzeugtragfläche ein Sog, der zusammen mit dem Seitenwind die vorderen Räder schlimmstenfalls aus den Schienen heben kann.

    Doch die aerodynamischen Probleme erscheinen lösbar. Die Entwickler haben allerlei Varianten durchdacht. Zum Beispiel einen Spoiler, der die Zugspitze nach unten presst. Dass dieser Druck genügen würde, hat DLR-Mann Loose im Windkanal getestet – doch er bringt mehr Widerstand, kostet also Energie. Vielleicht hilft ein anderer Spoiler, der sich bei Bedarf ausfahren lässt. Weitere Ideen? Gibt es, sagt Loose, verrät aber nichts, weil sie noch in der Patentierung sind.
    „Als wir das Projekt bei der Industrie vorgestellt haben, sind wir zum Teil belächelt worden“, erzählt der Bahnfachmann, „wir wollen aber zeigen: Es geht!“ Vor allem dank neuartiger Fahrwerke – mit einzeln aufgehängten Rädern und damit ohne durchgehende Achsen, sodass der Boden tiefer liegen kann. Statt den Zug mehr als einen Meter höher zu bauen, genügen so knapp 40 Zentimeter.

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    Was Schnellstzüge mit ihrer Umgebung machen, erkunden Loose und seine Mitarbeiter mit ihrer Katapult-Anlage, die Spielzeugeisenbahner juchzen ließe: 65 Meter Miniaturschienen, auf denen ein Modell beschleunigt wird. DLR-Physiker Klaus Ehrenfried, der die Anlage entwarf, wacht am Computer und erklärt die Versuche an der Strecke. Eine Styroporkugel an einer Messapparatur erfasst, welche Kräfte durch den Luftdruck entstehen, wenn ein Zug vorbeirast. Und ein Plexiglas-Tunnel mit einem Vorbau, der durch Schlitze Luft entweichen lässt, soll zeigen, welche Maßnahmen den Knall der Druckwelle bei der Einfahrt mildern.

    Eine Probefahrt gefällig? Für zwei Windkanal-Experten von VW, die wegen eines Forschungsauftrags zu Besuch sind, wird die Anlage bereit gemacht. In der Halle brummt und surrt es, das Öl für die Hydraulik wird erwärmt. Dann ein Mausklick; die Katapult-Arme reißen ein Seil nach vorn. Der Zug saust außer Sicht – mit knapp 120 km/h und einem leisen „Ssssssst“.

    Vorsichtiges Herantasten
    Das Original wäre weitaus lauter. „Mit der Geschwindigkeit steigt der aerodynamisch erzeugte Lärm extrem an“, sagt Loose. „Störend ist ab etwa 250 Stundenkilometern vor allem der Fahrtwind an den Stromabnehmern hoch über den Schallschutzwänden.“ Wenn der Zug den Strom aus den Schienen beziehen könnte, wäre dies ein Quantensprung. Im NGT-Konzept ist das tatsächlich vorgesehen – doch auch Loose weiß, dass eine Versorgung von Zügen auf diesem Weg, wenn überhaupt, in ferner Zukunft liegt.

    Ohnehin werden die Ergebnisse des Projekts kaum unverändert auf die Schiene kommen. „Das DLR baut schließlich keine Züge“, sagt Loose, „und Hersteller gehen nicht mit einem ganz neuen Ansatz vor, sondern Schritt für Schritt. Aber unsere Messverfahren und Resultate fließen in die Entwicklung ein.“

    Auch der Wagen eines Regionalzugs draußen vor der Halle wartet auf Tests, diesmal zur Klimatisierung, die im Sommer bis zu 30 Prozent des Stromverbrauchs ausmacht. Eine sparsame Belüftung, die Luft allein durch Körperwärme der Fahrgäste aufwärtsströmen lässt, hat das DLR schon geprüft. Doch Loose fragt sich, wo man die Anlage noch unten in einen Doppelstöcker einbauen kann, der bereits tiefergelegt ist.

    Derweil treibt Klaus Ehrenfried die Versuche am Katapult voran. Bislang fuhr hier ein acht Kilogramm schweres ICE3-Modell aus Kohlefaser. Nun wurde das erste NGT-Modell aus Balsaholz geliefert, das nur drei Kilo wiegt und damit schneller ist. Doch eine Testfahrt? Der Physiker zögert. Das Modell wird nur von Kunststoffschrauben zusammengehalten. Und wer weiß, ob die Styroporkügelchen, die im Bremsschacht den ICE stoppen, auch den Mini-NGT sicher zum Stehen bringen.
    Also vorsichtig herantasten. Bei 176 km/h hebt der Triebwagen im Bremsschacht aber die Nase und knallt mit der Oberseite an das Dach. „Jetzt wissen wir, dass wir unsere Bremskonstruktion anpassen müssen“, seufzt Ehrenfried. „Aber immerhin: Er hat gehalten!“


    Quelle Focus online

    Torsten

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    • Offizieller Beitrag

    Auf einer neuen Strecke über Salzburg, München, Stuttgart und Straßburg

    Nur ist es doch so heute mit den neu Bauten. Wer gibt schon gerne Land her. Und das ganze müsste ja auch noch einigermassen gerade verlaufen. Und durch die Berg? Klar Tunnels, nur sind die nicht einfach so schnell, schnell gebaut. Und dann kommen noch die Kosten, wer soll das bezahlen?

  • Auch das der Zug nochmals 25% leichter sei als ein ICE3 macht mir Sorgen. Wir haben doch heute schon Probleme die Leichtbaukisten zu bremsen weil einfach nicht genug Druck auf der Schiene liegt. Wenn da nochmal 25% weg genommen werden, wie soll das ganze dann im Herbst laufen? Gut, im HGV hat man wenigstens noch die Wirbelstrombremse.

    mfg
    Günter

    11474   1663846

  • Ist doch logisch... Jeder Bahnhof mit Halt bekommt Fangseile wie ein Aircraft Carrier! :thumbup:

    "So...all of time and space, everything that ever happened or ever will...
    Where do you want to start?"