- Offizieller Beitrag
Zur Abwechslung wollte ich mal wieder etwas anderes als Flugsimulator fliegen, äh, spielen. Früher haben mir gemäßigte Actionspiele Spaß gemacht - also keine reinen Ballerorgien und auch nicht solche Ereignisse, die durch Dunkelheit, düstere Musik und eklige Monster, die einen plötzlich anspringen, das Risiko eines Magengeschwürs bergen, sondern ein Teil Action, aber auch noch Strategie und Rätsel lösen dabei. Gradlinige Charatktere (Spieler gut, Rest böse), eine überschaubare Anzahl an Gegnern, Waffen und Fähigkeiten, mit denen man arbeiten konnte.
Also habe ich mir so ein Spiel ausgeguckt. Nicht nur die Erde, nein, gleich die ganze Galaxis vor irgendwelchen fiesen Maschinenwesen retten. Action, Strategie, Rollenspiel. Klang gut.
Die Installation hat schon mal knapp eine Stunde gedauert. Mit Online-Konto (obwohl ich doch gar nicht online spielen will), zig Aktualisierungen und Updates (die ich gar nicht brauche) und allem Drum und dran. Dann der Spieler-Charakter. Nicht einfach eine von drei Möglichkeiten zur Auswahl, nein, ALLES muss man einstellen. Von der Haarfarbe bis zum Material für die Schuhsohlen. Und natürlich hat der Typ auch ein psychologisches Profil. Was bedeutet, er ist psychisch angeknackst. Egal wie man ihn einstellt, er ist angeknackst. Wie im richtigen Leben. Und dann die Hintergrundinformationen. Planeten, Rassen, politische Systeme, Geschichte, Technologie, Waffen und und und. Hey, ich will doch nur spielen!
Dann ging es auch schon los (nachdem noch ungefähr 100 Umgebungsvariablen eingestellt waren). Bereits im zweiten Level (oder Map, wie es jetzt heißt) wurden Gegner aufgefahren, die nur einmal zulangten und - MATSCH. Nach dem fünften MATSCH habe ich mir online Hilfe gesucht. Foren mit Lösungen und Tipps gab es ja früher auch schon. Und da waren sie dann, die Profis. Man muss nur diese Waffe aufsammeln und jenes Upgrade dazu, dann immer in Bewegung bleiben, das war es auch schon. Gesagt, getan. In Bewegung geblieben, und - MATSCH. Mission failed. Du LOSER!
Noch mal nachgelesen. Ach so, da gibt es noch Partner in einem Team, denen sollte man sinnvolle Anweisungen geben. Der eine hinten snipern, der andere vorne mit der Schrotflinte, und immer in Bewegung bleiben. Okay, los. MATSCH, MATSCH und MATSCH. Mission failed. Die anderen Typen machen eh was sie wollen. Enthusiastisch "Sofort, Commander!" rufen und - genau - nichts machen. Wie im richtigen Leben.
Also habe ich mich noch ein bisschen belesen. Aber ach. Wo es früher eine Liste mit Lösungstipps gab, gibt es jetzt ganze Enzyklopädien voll mit Abhandlungen über die Vorder- und Hintergründe (insbesondere Letzteres), die Vorzüge und Nachteile der einzelnen Eigenschaften und Möglichkeiten, die politischen, strategischen und zwischenmenschlichen Verwicklungen und Verwirrungen. Da ist sogar ein Quotenschwuler dabei! Dynamische Spielentwicklung heißt das jetzt wohl. Wenn also der Spieler-Charakter zur Person A irgendetwas sagt (oder irgendetwas anderes oder auch gar nichts), führt das dazu dass Person A zu den Personen B und/oder C wiederum etwas sagt (oder auch nicht), was wiederum bewirkt dass Person D irgendetwas tut (oder auch nicht) was sich auf den Handlungsstrang des Spieler-Charakters zehn Level (oder Maps) weiter auswirkt - oder auch nicht. Und wahrscheinlich ist es sowieso so, dass auch der Held, trotz oder gerade wegen seines psychischen Knacks, eigentlich vielleicht oder auch nicht einer von den Bösen sein könnte. Oder zumindest teilweise. Weswegen er zum Schluss auch sterben muss. Oder auch nicht, weil es natürlich drei verschiedene Schlüsse gibt (gegen die alle heftig protestiert wurde, von den verschiedenen Fraktionen - also in echt jetzt).
Muss das so kompliziert sein? Ich will doch nur spielen...
Und wenn man da so liest, gewinnt man den Eindruck, so ein Spiel kann man nur noch spielen (oder gar verstehen) wenn man seinen Job aufgibt und sich in Vollzeit nur noch damit beschäftigt. Statt Lebensmittel für echte Credits kauft man eben Waffen und Mods für virtuelle. Und für viele Zeitgenossen scheint die Frage, ob man das Kind nun retten kann oder nicht (oder ob das Kind überhaupt echt ist - also echt im Spiel) absolut existenziell zu sein.
Ich glaub ich bleib beim Flugsimulator. Das ist einfacher. Wenn man nicht gerade einen Airbus hat. Denn wenn man da einen Schalter betätigt, dann macht er was man will. Oder auch nicht.
Ob das Spiel, das ich mir da gekauft habe, wohl zu erkennen war?
Gruß
Boris