Willkommen in meiner Welt!
Am Hitzewochenende ist wieder in diversen ICE-Zügen der Deutschen Bahn die Klimaanlage ausgefallen. FOCUS-Online-Autorin Sandra Zistl war mittendrin, statt nur dabei. Eine schweißtreibende Erfahrung.
Paris, 19. August, 13:10: Der ICE 9555 Richtung Frankfurt verlässt die Gare de l’Est. Wagen Nummer 21 ist halb voll, fast alle Fahrgäste haben reserviert. Obwohl es im Bahnhof beinahe 40 Grad heiß war, sind die meisten Reisenden in langen Hosen eingestiegen, einige Frauen legen sich leichte Sommerschals um den Hals. Man kennt das ja: Draußen 40 Grad, innen 18 Grad. Profis würden keine längere Fahrt im Hochgeschwindigkeitszug im leichten Sommerkleid antreten. Profis würden aber auch niemals ohne zwei große Flaschen Wasser in einen ICE einsteigen. Warum, das zeigt sich bereits eine halbe Stunde später. Denn irgendwie ist nicht nur der Seidenschal viel zu warm, sondern allen Mitreisenden steht der Schweiß auf der Stirn. Irritierte Blicke nach oben zu den Lüftungsschächten. Kommt da was raus? Nein. Nach einer Stunde ist klar: Die Klimaanlage geht nicht. Obwohl Wagen 21 ein Ruhewagen ist, fangen immer mehr Menschen an, miteinander zu reden. „Auf die Bahn ist Verlass“, sagt eine Frau im roten T-Shirt, das bereits an mehreren Stellen dunkle Flecken aufweist, „jedes Mal, wenn es heiß ist, fällt die Klimaanlage aus“. Zustimmendes Nicken rundum, manche nutzen das Magazin der Bahn als Fächer. Bereits zum Arbeiten aufgeklappte Laptops werden wieder zugeklappt. Jeder ist mit sich selbst und der Hitze beschäftigt.
Erster Halt: Saarbrücken. Die Türen öffnen sich. Die Luft draußen ist genauso schwer und heiß wie drinnen. Noch mehr schwitzende Menschen steigen ein. Familien mit mehreren Kindern und noch mehr Koffern. Es wird enger, die Situation nicht wirklich besser. Wo ist eigentlich der Schaffner? Das Smartphone meldet sich, eine Mail mit Anhang: „Der perfekte Badetag“ steht im Betreff, das angehängte Bild zeigt eine Freundin, die vom Steg in das kühle Nass eines bayerischen Sees springt. Im Hintergrund Berge. Jetzt nicht die Geduld verlieren. Milde lächeln, wenn ein Hartschalenkoffer über die Sandale rollt. „Schon in Ordnung, geht uns allen so“ sagen, wenn einem jemand im schwankenden Zug den Schweiß seines Armes ans T-Shirt drückt. Es ist eh nass. Ich beschließe, nachzusehen, ob es vielleicht noch in einem anderen Abteil Platz gibt. Vielleicht geht die Klimaanlage ja nur hier nicht? Noch vor Ende von Wagen 21 gebe ich auf. Zu viele Koffer, zu viele Menschen, an ein Durchkommen mit Gepäck ist nicht zu denken. Vielleicht kommt ja gleich eine Durchsage.
Zweiter Halt: Kaiserslautern. Das Wasser ist ausgetrunken, der Kopf fängt an, weh zu tun. Immer öfter höre ich prustende Laute um mich herum. Wir sind gefangen im Hitzekäfig ICE. Wieder scheinen mehr Leute ein- als auszusteigen. „Vielleicht gehen wir mal ins Bordrestaurant“, schlägt die Sitznachbarin vor, die ich dank der Hitzeproblematik mittlerweile besser kenne. Sie hat gerade den Satz beendet, als eine Durchsage ertönt: „Verehrte Fahrgäste, wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir das Bordrestaurant schließen müssen. Fahrgäste, die kalte Getränke kaufen möchten, werden gebeten, dies sofort zu tun. Wir bedauern die Unannehmlichkeit. Ihr Team der Deutschen Bahn.“ Nachdem endlich das Gerangel um Koffer und Sitzplätze zur Ruhe gekommen war, springen plötzlich wieder alle auf. Letzte Chance auf Kaltgetränke!
Im Gedrängel taucht plötzlich eine Fahrkartenkontrolleurin auf. Ihr Makeup ist perfekt, kein feuchter Schimmer in ihrem Gesicht. Sie wirkt, wie ein wundersames Wesen zwischen all den Menschen mit nassen Haarsträhnen, die am Kopf kleben. Die Dame im Bahnkostüm turnt durch das Chaos und findet für jeden entschuldigende Worte: „Das tut uns sehr leid, wenn wir früher hier kontrolliert hätten, hätten wir den Wagen geräumt“, dringt an mein Ohr. „Aber es war ja gar nichts mehr frei“, ruft ein älterer Herr aus. „Dann hätten wir Ihnen wenigstens einen Aufguss angeboten“, scherzt die Bahnbeamte. Sie merkt schnell, dass das jetzt nicht der richtige Moment ist für Witze dieser Art.
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Die Fahrt fand am 19.08. statt.